„Für euch ist es Zeit zu gehen, die Schule hat ein Ende – doch auf euch alle wartet ein neuer Anfang.“ Mit diesen Worten verabschiedete unsere LK-Lehrerin uns in die weite Welt. Für mich stellt Heidelberg diese weite Welt dar.

Noch im gleichen Jahr zog ich in die Studentenstadt, um Ethnologie und Philosophie zu studieren. Entweder denkt ihr euch nun „Ah eine zukünftige Taxifahrerin“ oder „Ethnologie? Ist das was mit Ethik?“. Also erstens ich werde keine Taxifahrerin (AMEN.) und zweitens, Ethnologie beschäftigt sich nicht mit Ethik, sondern mit verschiedenen Kulturen und deren Rituale, Verständnis und Systeme (der Schwerpunkt in HD ist Südostasien).
Mein Lieblingszitat über die Ethnologie lautet:

„All humans are born with the potential to live thousands of different lives, yet we end up having lived only one. One of the central tasks of anthropology consists of giving accounts of some of the other lives we could have led.“

Ursprünglich wollte ich schon immer Politikwissenschaft studieren. Aber meine Philosophielehrer schafften es, meine Begeisterung für die Philosophie zu erwecken.

Vor dem Studium dachte ich mir „Ach wie schwer kann Ethnologie schon sein?“ Mein arrogantes Ich hat einen Schlag in die Fresse bekommen. Klar ist es keine Mathematik oder Medizin, aber es kann echt anspruchsvoll sein, vor allem wenn man pro Referat mehrere Hundert Seiten lesen muss und pro Semester 2-3 Hausarbeiten schreibt. Jetzt bin ich im fünften Semester und kann euch beruhigen: Irgendwann hat man den Dreh raus. Lasst mich euch einen Tipp geben: das Zeitmanagement ist das A & O.

Ganz ehrlich: In meinem ersten Semester hätte ich alles dafür gegeben um wieder Schülerin zu sein. Ich hätte mich sogar in den Matheunterricht gesetzt, so krass war es. Denn plötzlich musste ich Tonnen an komplexer englischer Literatur lesen und wöchentliche Abgaben erfüllen, Referate ausarbeiten und ständig mitschreiben. Zu meiner Schulzeit hieß „Als Hausaufgabe lest ihr dies und das“ immer, dass ich keine Hausaufgaben hatte. Ich konnte mich aus jeglichen nicht eingehaltenen Fristen rausreden, Wikipedia war wissenschaftlich genug für Referate und meine Freundinnen waren immer sehr kooperativ. Inzwischen weiß ich, dass mich keine 10 Pferde wieder in den Matheunterricht bringen könnten. Ein weiterer Ratschlag an die Erstis: Nehmt das alles nicht zu ernst. Bleibt locker. Eine verpasste Deadline oder eine schlechte Note ist kein Weltuntergang. Sucht euch gute Freunde und steht das zusammen durch. Heute kann ich sagen, dass ich mein Studentenleben für nichts auf der Welt eintauschen würde. In meiner freien Zeit reise ich gerne rum, treffe mich mit Freunden und nutze jegliche Studentenrabatte (Amazon Prime gibt’s 1 Jahr gratis für Studierende – gern geschehen).

Naja das war erst einer meine Anfänge. Als ich es endlich mal geschafft habe mein soziales Leben, mein universitäres Leben und meinen Schlafrhythmus miteinander in Einklang zu bringen (das war im 3.Semester), fing wieder etwas Neues an: Mein Parallelstudium. Nun studiere ich zwei 2-Fach Bachelor. Es gibt so viele interessante Studienfächer, also warum nicht noch etwas dazu studieren und die Wahrscheinlichkeit, dass ich Taxifahrerin werde, reduzieren? Ich ging meinem Wunschfach nach und belegte Politikwissenschaft im Hauptfach und Bildungswissenschaft im Nebenfach. Es hört sich viel krasser an als es ist, aber im Grunde benötigt man nur einen Kalender, Freunde die ihre Mitschriften mit dir teilen und eine Portion an Neugierde, Begeisterung und Spaß am Fach.

Ich hatte große Hoffnungen an die Politikwissenschaft, aber es hat sich rausgestellt, dass es nicht meinen Erwartungen entspricht. Die Bildungswissenschaft dagegen hat sich als mein Lieblingsstudiengang entpuppt. Man lernt vieles über Schulpädagogik, Erwachsenenbildung, kritisches Hinterfragen und unser Bildungssystem, und ein weiterer Schwerpunkt hier ist die Organisationsentwicklung.

Apropos Bildung: Ich kann euch als ehemalige Schülerin und zukünftige Bildungswissenschaftlerin sagen, dass eure Noten definitiv kein Spiegel eurer Intelligenz darstellen! Lasst euch nicht auf etwas so banales wie Zahlen reduzieren. Und wenn ihr wie ich das enorme Glück hattet von pädagogischen Lehrenden unterrichtet zu werden, dann dankt Ihnen mal (Danke!) – man glaubt es kaum, aber sie sind auch nur Menschen wie du und ich. Manche von Ihnen nehmen ihren Beruf sogar ernst.

Seit Ende meines Abiturs bin ich drei mal umgezogen, hab vier neue Studiengänge angefangen, sechs Länder bereist und Freunde fürs Leben gefunden, während ich meine Neusser Freundschaften aufrecht erhalte. So kitschig es sich auch anhören mag: Geh deinen Weg; ob es ein Studium, eine Ausbildung oder was anderes sein mag, mach das, was dir Freude im Leben bereitet. Ein Studium oder eine Ausbildung aus Prestige und/oder Geldgründen zu beschreiten ist zwar legitim, aber du darfst nicht vergessen, dass du deinen Beruf über 40 Jahre ausüben wirst.

Weil wir alle in der Schule lernen unsere Texte nie mit Weil zu beginnen und einen guten Schlusssatz zu formulieren, beende ich ihn mit dem Mantra meiner LK-Lehrerin: „Greift nach den Sternen!“.

Eure Zehra

Zehra Tuzkaya

Abitur2017